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Dienstag, 6. Juli 2004
etwas politik
andrewendler, 06.07, 23:52

wahrscheinlich kennen mich die meisten als eher unpolitischen menschen, zumindest interessiert mich das gezänke in den vereinen und parteien unserer demokratie nicht übermäßig. in den letzten tagen ist aber eine diskussion in deutschland ausgebrochen, die mich unglaublich wütend macht und zu der ich hier etwas sagen muss.

in allen talkshows und zeitungen geht es um die flexibilisierung der arbeitszeiten, um die ausdehnung der wochenarbeitszeiten usw. das schlagwort von der 50-stunden woche ist gefallen, wenn diese vorübergehend für ein unternehmen notwendig sei.

schockierend finde ich, dass sowohl gewerkschaftsführer als auch arbeitgebervertreter mit verschiedenen argumenten um das selbe goldene kalb tanzen. es geht immer nur darum, wie der wirtschaft zu helfen sei, wie mehr dynamik in das geschäftsleben kommen könnte und durch welche mittel man deutschland wieder wettbewerbsvorteile bringen könnte.

auf der einen seite hört man dabei den ruf nach einer maximal flexiblen wirtschaft sprich flexiblen arbeitszeiten mit wochen zwischen 30 und 50 stunden, ganz wie es das unternehmen benötigt. die andere seite will sozialen frieden als standortvorteil verkaufen und verlangt deshalb sogar noch lohnerhöhungen bei beibehaltung der arbeitszeiten.

das absurde und zutiefst ekelerregende an dieser diskussion ist doch aber die stimmlosigkeit, mit der die menschen, welche jene 50 stunden arbeiten sollen in der diskussion zu bloßen puppen degradiert werden. hier wird nicht über gesamtwirtschaftliche variablen diskutiert sondern es geht um die verteilung der lebenszeit von menschen. keiner erwähnt allerdings diesen punkt. dabei ist es gleich zynisch, ob man die entlohnung der arbeitsstunden um ein paar lächerliche prozent aufstocken will um die arbeiter ruhig und auf ihren plätzen zu halten oder ob man von ihnen 24 stunden am tag flexibilität einfordert. am liebsten sollen die leute immer bereit sein zu arbeiten, schließlich geht es um ihre arbeitsplätze und was wäre schon wertvoller als diese.

wie wäre es denn aber einmal, wenn man sich darüber unterhielte, wo die verfügbarkeit über die zeit der arbeitnehmer endet und wie die ethische rechtfertigung für derartige zwangsmaßnahmen gefasst werden muss? es geht hier um menschen! und die erleben jeden augenblick nur einmal. im grundgesetzt ist die rede von der würde des menschen, die unantastbar ist. gilt das auch noch, wenn die arbeitnehmer durch die perfiede argumentation der gewerkschaften und der arbeitgeber zugleich (!) sich ›freiwillig‹ und ›zum eigenen wohl‹ grenzenlos ausbeuten lassen. wer darf dann noch darauf beharren, dass es zeiten gibt, in denen er nicht erreichbar ist für die nöte seines unternehmens? wer kann den wert einer stunde mit den füßen im wasser über das wohl seiner firma stellen und damit über die arbeitsplätze seiner kollegen?

ich glaube, dass wir gerade darüber diskutieren uns mit hochgeschwindigkeit ins 19. jahrhundert zurück zu entwickeln, wo die marktgesetze tatsächlich vollen gebrauch von den körpern ihrer mitspieler machen konnten. wenn nur die hälfte der jetzt diskutierten ›notwendigkeiten‹ gesetz wird, dann werden wir alle unser berufsleben im daueralarm für das wohl irgendeiner wirtschaft verhetzen, von der wir nicht einmal die brotkrumen bekommen werden.

soweit darf es nicht kommen, denn die scheinheilige diskussion über zukunftsorientierung des sozialstaates ist in wirklichkeit eine diskussion über die mittel, mit denen man versuchen wird uns als putzlappen für die marmorböden der wirtschaft zu gebrauchen, von denen uns gesagt wird, dass wir stolz auf sie sein dürften.

das einzige worauf ein mensch stolz sein darf, ist nicht das versprechen auf menschenwürde, sondern das wissen, dass man als freiheit diese wirklich in der hand hat.